Entspannt Elternsein

Alleine schlafen mag ich nicht! – Der Kampf am Kinderbett

Warum so viel Wind um ein menschliches Grundbedürfnis? Dürfen wir hier mal entspannt inkonsequent sein?

Ella ist zwei und eine schlechte Schläferin. Während sich andere Mütter nachts erholen, pilgert Steffi ins Kinderzimmer um ihre Tochter zu beruhigen. Auch abends mag Ella nicht schlafen gehen. Papa Thomas meint, man muss Ella jetzt einfach mal in ihrem Zimmer schreien lassen. Wenn sie nicht lernt alleine einzuschlafen wird sie auch nicht durchschlafen. Steffi aber plagt ihr Muttergewissen und sie würde sie am liebsten mit zu sich ins Bett nehmen. Beide sind sich aber einig: Ella muss einfach lernen in ihrem Zimmer durchzuschlafen wie alle anderen Kinder auch!

Kaum ein Thema wird zwischen frischgebackenen Müttern so unermüdlich gewälzt, wie das ums Schlafen. Ab wann welches Kind wie durchschläft interessiert nicht nur die anderen Mütter, sondern auch Tante Mitzi und die Frau an der Fleischtheke. In Erziehungsratgebern, voran der Bestseller „Jedes Kind kann schlafen lernen“, von Kast-Zahn und Morgenroth, ist Durchschlafen und alleine Einschlafen das erklärte Ziel. Denn, dass Babys und Kleinkinder irgendwann abends in ihrem Bett einschlafen und erst morgens auch dort wieder aufwachen ist doch normal. Oder?

Ist alleine Durchschlafen normal?

Um das herauszufinden müssen wir über unseren Tellerrand schauen – genauer genommen über unsere Staatsgrenzen. Und über unsere Zeitgrenzen.

Kinderzimmer sind eine junge Erfindung, so Eva Solmaz in ihrem Buch „Besucherritze“. Erst ab dem 19. Jahrhundert gab es die in manchen Häusern. Davor schliefen Familien zusammen in einem Zimmer – oder in einer Höhle. Nämlich 5 Millionen Jahre lang. In den meisten Kulturen ist das auch heute noch so. Alleine schlafen müssen also die Kinder jener Eltern, die es sich leisten können Kinderzimmer zu bauen. Betrachtet man die gesamte Weltbevölkerung, sind das gar nicht so viele.

Also nein: Alleine schlafen können ist nicht normal. Die meisten anderen Kinder müssen das nicht lernen. Und wie ist es mit dem Durchschlafen?

Nur etwa 1/3 aller Kinder im ersten Lebensjahr schläft durch. Mit einem Jahr wird es dann besser. Bei den 2- bis 4-jährigen Kindern gibt es dann aber wieder weniger gute Schläfer: Nur etwas mehr als ein Drittel der Kinder schläft durch. Kast-Zahn beschreibt uns diese Studie in ihrem Ratgeber.

Durchschlafen ist also auch nicht normal. Die meisten Kinder können das mit 4 Jahren immer noch nicht.

Die Lösung des Schlafdilemmas

Warum also so viel Wind, weggeworfene Nerven und Babygeschrei um einen so aussichtslosen Kampf? Erziehen wir unsere Kinder gegen ihre Natur? Versuchen wir Von-Natur-Aus-Zusammenschläferkinder zu Alleinschläferkindern umzuerziehen? Und was ist die Lösung dieses Dilemmas?

Als erstes müssen wir wohl überlegen, ob unser eigenes Bedürfnis alleine zu schlafen, also ohne Kind, so dringend ist. Oder wurde auch das uns anerzogen? Wenn sich unsere Kinder nicht ändern lassen, können wir dann unseren Wunsch in Ruhe alleine zu schlafen aufgeben? Können wir es schön finden: Das Fußgetrippel in der Nacht, ein kleiner Körper, der sich über unseren Bauch wälzt, in der Bettmitte liegen bleibt und gleich darauf zufriedene Schlafschnaufer von sich gibt?

Wie schlafen andere Familien?

Ein Blick in andere Familien verrät: Alleine Durchschlafen ist gar nicht normal und jede Familie findet ihre eigene Lösung:

Die Flexiblen: Wer wo schläft wechselt von Nacht zu Nacht. Ob einer im Elternbett und drei im Kinderzimmer. Oder drei im Elternbett und einer auf der Couch. Das Motto ist: Egal wer, wann, wo schläft. Hauptsache es wird geschlafen!

Die Nachtwandler: Mindestens ein Kind wechselt in der Nacht vom Kinderbett ins Elternbett und schläft dort weiter.

Die Kreativen: Sie haben kreative Kinder und finden ebenso kreative Lösungen. Wenn das Kind Mamas lange, blonde Haare als Einschlafhilfe erwählt, kauft Mama kurzerhand eine Puppe mit langen, blonden Haaren. Die bindet sie dann am Gitterbett fest, und das Kind kann weiterhin darin herumwuseln bis die Augen zufallen. Problem gelöst.

Die Belesenen: Ihr Problem: Kind mag nicht alleine einschlafen. Die Lösung: Sie setzen sich mit Stirnlampe ins Kinderzimmer und lesen ein Buch. So schaffen sie mehr Lesestoff als noch vor der Elternzeit.

Die Gemeinschaftlichen: Sie machen aus der Not eine Tugend. Ganz nach dem empfehlenswerten Buch „Besucherritze“, von Eva Solmaz, kaufen oder bauen sie sich ein Familienbett. Groß genug, damit alle Familienmitglieder bequem darin Platz finden.

Die Unkomplizierten: Davon gibt es zum Glück sehr viele. Sie haben Kinder denen es schlichtweg egal ist wo sie schlafen. Mit ihrem Schlafplatz im Kinderzimmer sind sie sehr zufrieden. Auch gut so.

Sollen wir den Kampf aufgeben?

Der bekannte Erziehungsberater Jan-Uwe Rogge schreibt zum Thema Kinderschlaf:

Das Leben in chaotischen Zuständen kann süßer sein als das bittere Leben in Normen, denen man vergeblich gerecht werden will. Dann gilt es aber, sich im Chaos häuslich einzurichten.

Warum nicht den Kampf aufgeben und die schönen Seiten sehen? Sind ulkige Kinderschlafgeräusche neben uns, die uns nachts schmunzeln lassen, nicht schöner als das nervtötende Geschrei aus dem Kinderzimmer? Wie wollen wir an die Nächte mit unseren Kindern zurückdenken, wenn sie erwachsen sind?

Welche Erinnerungen an das Damals möchten wir später mal haben?

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Quellen:

  • Jan-Uwe Rogge; Ohne Chaos geht es nicht. 13 Überlebenstipps für Familien. Verlag Rowohlt
  • Annette Kast-Zahn; Dr. med. Hartmut Morgenroth; Jedes Kind kann schlafen lernen. Verlag GU
  • Eva Solmaz; Besucherritze. Ein ungewöhnliches Schlaf-Lern-Buch. Verlag Beltz

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